Interfacing-Narrative. Diskursive Praktiken und verteilte Teilhabe in sensorbasierten Mensch-Computer-Relationen
Der vermehrte Einsatz von Sensoren beschert Digitaltechnologie eine automatisierte Umweltsensibilität und ermöglicht neue Formen der Mensch-Computer-Relationen, die den Begriff des (User) Interface herausfordern. Dessen verbreitete Reduktion auf grafische Benutzeroberflächen und die Figur aktiver, bewusst handelnder User in Befehl-Feedback-Loops wird von vielfältigen Interfacing-Konstellationen, in denen Teilhabe und Handlungspotentiale neu und diffuser verteilt sind, durchbrochen. So erfasst etwa die Gesichtserkennung von Überwachungssystemen im öffentlichen Raum auch jene, die sich nicht bewusst sind über diesen Eintritt in eine temporäre Beziehung mit Kameras, Analysealgorithmen, Netzwerken, mit lokalen Polizeibehörden und dem politischen Willen nach Kontrolle konkreter Distrikte. Ein Interfacebegriff der bloßen Beschreibung technischer Abläufe erscheint in diesem Fall, gerade für politische und ethische Anschlussdebatten, für die Frage nach der Rechtfertigung von und dem Glauben an Technologien ungenügend. Das Dissertationsprojekt fasst daher sensorbasiertes Interfacing als technisches und diskursives Strukturieren von (temporären) Relationen sensibler Digitaltechnologie und ihrer Umwelt unter dem Einfluss von Geschichte(n) und Mythen, Imagination und Intentionen – von Narrativen.
Das Forschungsprojekt fragt nach dem medienwissenschaftlichen Potential des Begriffs Interface und Prämissen, unter denen er sensorbasierte Interfacing-Prozesse angemessen (be-)greifbar machen kann. Anhand historischer Szenen aus Physik, Architektur und Kybernetik sollen Attribute des Interfacing entwickelt werden, das vom starren Konzept oberflächlicher, visueller User Interfaces abstrahiert. Am Beispiel der Sprachsteuerung sowie der Gesichtserkennung soll Interfacing als und durch diskursive Praktiken und sociotechnical imaginaries gedacht werden. In Verhandlung mit Begriffen aus der Narratologie, Storied Matter, Kybernetik und philosophischen Theorien narrativer Identität soll das Konzept der Interfacing-Narrative erarbeitet werden, welche – etwa als Erzählungen darüber, wie eine Technologie funktioniert, wofür sie eingesetzt werden kann, wer teilhat und was sie verfügbar macht – Entwicklung und Rezeption, Einsatz und Funktionsweisen, Politiken und Ethik sensorbasierter Interfacing-Prozesse durchziehen.
Kurzbiographie
Daniel Stoecker studierte Medien- und Kulturwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Humboldt-Universität zu Berlin mit Forschungsprojekten zur Technizität der menschlichen Stimme, Formen und Funktionen wissenschaftlicher Visualisierungen in der Astronomie und einer Masterarbeit über digitale User Interfaces als „Techniken des Verbergens“ bei Jan Claas van Treeck und Wolfgang Ernst. Seit 2018 ist er Doktorand in der Forschungsgruppe SENSING: Zum Wissen sensibler Medien am Brandenburgischen Zentrum für Medienwissenschaften (ZeM) mit einem Forschungsprojekt zu Mensch-Computer-Relationen und Narrativen des Interfacing in Zeiten sensorbasierter Medientechnologien.